Christina Rottmair

Den Fulltime-Job in der PR- und Kommunikationsbranche hat Christina Rottmair erst einmal an den Nagel gehängt, um ihrer Leidenschaft für das Reisen und Abenteuer zu folgen. Drei Monate ging es mit dem Rucksack durch Indien und Nepal und statt dem heimischen Gipfelkreuz wurden bunte Gebetsfahnen Teil des täglichen Panoramas. Einfach immer weiterlaufen ohne zu wissen, wo man am Abend ankommt.

Ein Berg zum Erklimmen findet sich überall auf der Welt, ab und zu auch ein Wellenkamm, und in ihrem Keller stapeln sich Skier, Mountainbike, Wanderstiefel und Surfbrett. Nirgendwo wedelt es sich im Frühjahr allerdings so schön über die weißen Hänge, wie mit dem Wissen den Tag mit einem Bier am Monopterus ausklingen lassen zu können.

Du wohnst seit 2015 in München. In welchem Stadtteil fühlst du dich am meisten zuhause und warum?

Besonders gerne mag ich das Glockenbach- und Schlachthofviertel. Hier lässt es sich gut Essen, Trinken und Flanieren. Und falls der Trubel doch zu viel wird, ist die Isar nicht weit und nach 20 Minuten radeln auf dem Fahrrad gen Süden fühlt man sich nach jeder Flusswindung dem Isarursprung näher als dem Eisbach.

Was ist dein Lieblingsort in München und warum?

Mein Lieblingsort in München ist auf dem Fahrrad. Solange es nicht in Strömen regnet, bin ich jeden Tag damit unterwegs und das Vorbeiziehen der Straßenszenen und Menschen hat etwas Meditatives für mich. Überhaupt ist das Flanieren eine wunderbare Sache und was der Flaneur zu Fuß betreibt, mache ich mit zwei Rädern und springe ab, wo es mir gerade gefällt. Besonders gerne radle ich in die Glockenbachwerkstatt und das angrenzende Cafe Bellevue de Monaco. Hier gibt es eine Radlwerkstatt und in lauen Sommernächten begegnet es sich im grünen Innenhof besonders schön mit alten und neuen Münchnern bei Live-Musik und einem kalten Bier.

Wo fühlst du dich in München den Bergen am nächsten?

Natürlich auf den Dachterrassen, von wo aus man bei guter Sicht die Berge sehen kann. Zwar schon lange kein Geheimtip mehr, versuche ich es je nach Stimmungslage auf den Dachterassen der TU, der Deutschen Eiche oder des Flushing Meadows. Der Blick ist oft überlaufen, trotzdem immer wieder schön.

Wo trifft man dich auf keinen Fall?

Am Wochenende in der Stadt. Nur in Ausnahme- und Notfällen.

Erzähle uns von deiner ersten Erinnerung an die Berge! Weißt du noch, wann du das allererste Mal in den Bergen warst und was du da gemacht hast?

Eine meiner ersten Erinnerungen ist die Autofahrt über den Großen Ahornboden in die Eng im Karwendelgebirge, das, trotz hochsommerlicher Temperaturen, stechend kalte Wasser im Bachlauf, und der Aufstieg zur Falkenhütte. Übernacht im Matratzenlager haben ich und ein paar Freundinnen uns, mit den schweren Wolldecken über dem Kopf, Gruselgeschichten erzählt. Und fiel dann der Blick auf die vom Mondschein beleuchteten, direkt hinter der Falkenhütte aufragenden Laliderer Felswände, hat sich ein majestätisches Bild von den Bergen bei mir eingebrannt, das mich bis heute nicht loslässt.

Was bedeuten die Berge für dich?

Berge bedeuten für mich Freiheit. Freiheit von Prinzipien wie Ort oder Zeit. Von allem, was dort unten im Tal wichtig ist, auf einen wartet oder die Sicht begrenzt. Oben am Berg verliert es seine Bedeutung. Der Blick kann schweifen, die Gedanken werden klarer und weniger. Man sieht wirklich ein wenig aus der Vogelperspektive auf die Welt herab, befindet sich ab und an tatsächlich über den Wolken und fühlt sich dem Himmel näher als der Erde. Für die Zeit, die ich am Berg bin, bin ich im Hier und Jetzt.

Was machst du in den Bergen am liebsten und warum?

Am liebsten fahre ich Ski. Bereits mit knapp 3 Jahren stand ich das erste Mal auf Skiern und da mich aufgrund meines zarten Alters keine Skischule aufnehmen wollte, übernahm mein Papa eigenhändig die Ausbildung.

Seit ein paar Saisonen habe ich auch das Skitourengehen für mich entdeckt. Für mich die perfekte Kombination aus Ruhe/Natur und Geschwindigkeit/Abfahrt. Ich steige allerdings auf, um Abzufahren und fluche ab und an still vor mich hin bei sogenannten “Hatschern” oder zu steilen Spitzkehren. Aber nichts fühlt sich besser an als im Anschluss die ersten Linien durch unberührten Powder zu ziehen.

Wo ist dein Lieblingsspot in den Bergen?

Das Karwendelgebirge hat es mir besonders angetan. Es liegt nahe genug an München, um selbst nach einer durchfeierten Nacht am Nachmittag noch dorthin aufzubrechen und doch weit genug von den Gondeln und Skiliften der Bergtouristen entfernt.

Ich mag die Schroffheit und die harten Kanten, mag, wenn der Blick auf nichts anderes mehr als Fels und Stein trifft.  Das Karwendel wirkt immer ein wenig größer und höher auf mich, als es eigentlich ist. Ein wenig abweisender und wilder. Hier stehe ich immer wieder ehrfürchtig vorm Berg und kann es kaum glauben, dass es so etwas gibt.

Von wo hat man deiner Meinung nach die schönste Aussicht?

Den schönsten Ausblick hat man immer mit dem Herzen. Oft zählen die kleinen Details beim Aufstieg oder die Menschen an deiner Seite, die den Blick vom Gipfel einzigartig machen.

Was ist dein liebstes Berg-Foto zur Zeit und warum?

Mein liebstes Berg-Foto zur Zeit ist der Blick auf den Annapurna II (7937m) in Nepal. Der Nordseite des Bergs liegt der Aufstieg zu ein paar kleinen Dörfern gegenüber, der, mal knackig steil, mal entspannter Höhenweg, den Blick auf den Annapurna II nie loslässt. Wenn dann noch die sogenannten Prayer Flags – Gebetsfahnen – wie wild im Wind auf und ab tanzen, entsteht ein Bild, das ich nicht nur sehen, sondern auch hören und riechen kann.

Überhaupt sind die tibetischen Gebetsfahnen so charakteristisch für die Berge Nepals wie das Gipfelkreuz für die Alpen.

Anders als die statische Präsenz des Kreuzes, die mir immer ein Gefühl von Sicherheit durch etwas von Menschenhand im Tal geschaffenes vermittelt, sind die Prayer Flags dem Himmel viel näher. Nie still, immer in Bewegung sollen sie der Überlieferung nach Harmonie und positive Gedanken in alle Windrichtungen verteilen.

Was nimmst du immer mit in die Berge (in deinem Rucksack) und warum?

Mein Drybag von Ortlieb ist gleichzeitig auch ein Kompressionspacksack, da er mit einem Luftventil ausgestattet ist. So bleibt auch bei widrigen Wetterbedingungen alles trocken und da ich gerne so minimalistisch wie möglich unterwegs bin, handlich komprimiert. Außerdem besteht der Drybag aus einem ultraleichten Nylongewebe und nicht aus PVC. Anders als PVC/Plastik nimmt Nylon keine Gerüche an und man kann es unendlich oft wiederverwerten. Als Berg- und Naturliebhaber versuche ich bei der Ausstattung auf solche Details zu achten.

Was war deine allzeit beste Anschaffung für die Berge und warum?

Ich habe mir nach längerem Überlegen endlich einen SteriPen zur Wasserentkeimung gekauft. Obwohl er das Gewicht der Ausrüstung auf den ersten Blick erhöht, spart mir die Wasseraufbereitung auf längeren Touren das Gewicht von zusätzlichen Wasserflaschen. Während ich mir bei hohen Gebirgsbächen meist keine Gedanken gemacht habe, war ich in niederen Lagen oder den Bergen Nepals vorsichtig. Der SteriPEN verwendet die desinfizierende Wirkung von UVC-Licht und kommt vollkommen ohne den Einsatz von chemischen Zusätzen bei der Entkeimung aus. Alle sich im Trinkwasser befindlichen Krankheitserreger (Viren, Bakterien, Protozoen) werden abgetötet. Sehr empfehlenswert auch auf Rucksack-Reisen.

 

Welche Tour muss man unbedingt gemacht haben und warum?

Eine besonders schöne Wochenend-Skitour für den Winter führt von der Lizumer Hütte auf den Geier. Auf 2858 Metern wird man nach den Anstrengungen mit einem tollen Rundumblick belohnt. Bereits die Lizumer Hütte ist wunderschön im hinteren ruhigen Wattental (im Tal befindet sich der zweitgrößte Truppenübungsplatz für das Österreichische Bundesheer) gelegen.

Ein Tagestour-Klassiker für den Sommer, den man von München aus unbedingt gemacht haben muss, ist natürlich die Wanderung vom Walchensee auf den Heimgarten und dann über den Grat hinüber zum Herzogsstand. Beim Anblick des türkisblauen Wassers muss ich immer an Kokosnüsse und Palmen denken.

Was empfiehlst du Neulingen, die in die Berge gehen möchten?

Sucht euch Gleichgesinnte, die euch mit der Bergwelt vertraut machen. Fragt bergaffine Freunde, ob sie euch auf eine Tour mitnehmen, tretet dem Alpenverein oder Facebookgruppen wie den Munich Mountain Girls bei und lernt neue “Bergfreunde” kennen.

Zusammen macht es riesig Spaß und ist auch gerade für Neulinge ein nicht zu unterschätzender Sicherheitsfaktor.

Was ist deine größte Herausforderung in den Bergen?

Dass der Berg mich immer wieder dazu zwingt Widersprüche und Extreme zu ertragen, auch wenn sie schmerzhaft sind.

  • Die Schönheit des Alpenglühens, das sich wenige Minuten später in schwarze Gewitterwolken verwandeln kann.
  • Der grandiose Ausblick bei einer Passüberquerung auf über 5400 Metern Höhe und die spürbaren Grenzen der körperlichen Leistungsfähigkeit in dieser Höhe.
  • Der Berg, der mich verändert und der selbst doch unveränderlich bleibt.

Hast du dir für 2019 etwas Besonderes vorgenommen (Herausforderung meistern, neues Lernen, …) – und wenn ja, was und warum?

Mit der Hilfe von Freunden kam ich bisher zwar auch über schwierigere Passagen am Berg, allerdings führe ich dann Anweisungen aus, ohne mir selbst den Weg und den Berg zu erschließen. Ich möchte in Zukunft den sogenannten “verflixten II. Grad” besser meistern und damit das, was man eigentlich unter “Bergsteigen” begreift. Oft ausgesetzt, aber dennoch ohne Seil begangen, manchmal mit brüchigem Fels. Obwohl ich keine Höhenangst habe und noch nie hatte, zittern mir hier immer wieder die Knie. Es fehlt mir an grundlegenden Kletterkenntnissen und für 2019 habe ich mir vorgenommen hier nachzurüsten.

Hast du eine Lebensweisheit / Motto / Spruch, die dich immer begleitet/n?

In einem kleinen Buchladen in Kathmandu bin ich völlig überraschend auf ein Buch des österreichischen Autors Christoph Ransmayr gestoßen, das ich schon vor  Jahren das erste Mal gelesen habe. Ransmayr ist ein langjähriger Freund Reinhold Messners. Beide verbindet die Leidenschaft für die Berge. In englischer Übersetzung – ‘The Flying Mountain – Der fliegende Berg’ – ist das Buch in Versform verfasst und enthält folgende Zeilen, die mich sowohl auf Reisen als auch in den Bergen immer begleiten:

Vielleicht ist jenes Bedürfnis
tatsächlich unstillbar,
das uns selbst in enzyklopädisch gesicherten Gebieten
nach dem Unbekannten, Unbetretenen,
von Spuren und Namen noch Unversehrten suchen läßt –
nach jenem makellos weißen Fleck,
in den wir dann ein Bild unserer Tagträume
einschreiben können.

Welches Equipment nutzt du, um in den Bergen zu fotografieren?

Meine Fuji XT1 mit einem 18-55 Objektiv, die handlich und zugleich robust ist, begleitet mich auf allen meinen Reisen und Bergabenteuern. Zum Sichern der Bilder habe ich immer mehrere SanDisk Extreme Pro SD-Karten im Rucksack und außerdem meine Extreme Portable SSD von SanDisk, die dank der IP55 Schutzklasse geländetauglich und wasserbeständig ist.

Danke für das schöne Interview mit dir, Christina! 

Foto Credits: Nadine Stegemann,  Lukas Rubisoier, David Newton

 

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