Sellrainer Hüttenrunde | Bergtour in sieben Etappen


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Stefanie übt zwei Berufe aus: sie ist Schneiderin, im eigenen Unternehmen namens „krambeutel“ tätig und Regisseurin für Hörspiel und Feature bei Bayern2. In ihrer Freizeit ist Stefanie am Liebsten in freien und luftigen Räumen draußen unterwegs – beschäftigt mit Laufen, Klettern, Bouldern, Schwimmen, Wandern und dem Krafttraining. Im Winter fährt sie (wieder) Ski oder schnallt sich die dünnen Bretter zum Langlaufen unter die Füße.


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„Anstrengung gesucht“ 

 

Letzten Sommer sind B, L, C und ich vom Königsee zu den Drei Zinnen gewandert, in sieben Tagen über den Alpenhauptkamm, weil man halt – wenn man Mehrtageswanderungen mag – auch mal eine Alpenüberquerung gemacht haben möchte. Die Tour war sehr schön, aber danach waren wir einig: sonderlich anstrengend war‘s nicht.

Deswegen saßen wir im Frühjahr zusammen, um uns eine Hüttentour für diesen Sommer auszusuchen. Sieben Tage, nicht überlaufen und anspruchsvoll sollte sie sein. Wir stießen schnell auf ein Faltblatt des Alpenvereins zur Sellrainer Hüttenrunde, eine Rundtour, die alle Kriterien erfüllte, die wir uns überlegt hatten.

  • Badewanne (Bergseen und -bäche)
  • Balkon (viele Gipfel und Scharten) und eine
  • Wohnküche (gemütliche Hüttenabende) – alles war dabei.

Wir waren uns noch nicht so ganz sicher, ob wir alle in unserer Wunschwoche genug Urlaub bekommen würden, und da man die Tour um ein paar Tage abkürzen oder verlängern kann, war beschlossen: An einem Dienstag im Juli starten wir nach Innsbruck, und von da ins Sellrain.

Sellrainer Hüttenrunde | Steckbrief

 

  • Anfahrt: zirka zwei Stunden von München / auch mit Bahn und Bus möglich
  • Ausgangspunkt: Innsbruck/Sellrain
  • Dauer:  je nach Planung. Wir haben sieben Etappen benötigt
  • Distanz: ca. 100 km
  • Höhenmeter: 6.500 m
  • Schwierigkeit: konditionell anspruchsvolles hochalpines Hüttentrekking
  • Beste Jahreszeit: Ende Juni bis Ende September
  • Weitere Informationen über die Tourenmöglichkeiten gibt es über den DAV

Sellrainer Hüttenrunde | Hauptsache Nadeln dabei

Vor der Alpenüberquerung im letzten Jahr hatten wir noch sehr viel Zeit in die Vorbereitung gesteckt, hatten uns genau überlegt, was wir wie einpacken und wer was mitnimmt.

Dieses Jahr waren es wenige kurze Gespräche, die sich hauptsächlich um die Hüttenreservierungen und den Wetterbericht drehten. Und um das Strickprojekt, das wir mitnehmen wollten, waren wir doch letztes Jahr schon irgendwo kurz hinterm Königssee unter den Wanderern, die die Tour wie wir gingen, als die „strickenden Münchnerinnen“ bekannt.

Die erste Etappe startete ruhig und einfach, aber wunderschön. Zur Potsdamer Hütte, die nach einem Brand vor einem guten Jahr gerade erst saniert wiedereröffnet worden war, marschierten wir den Fotscher Bach entlang gemütlich über Stock und Stein, sichteten die ersten Hirsche und staunten inklusive munterem Artenraten über die Farbenvielfalt der alpinen Pflanzenwelt.

An der Hütte gab‘s dann hausgebackene Nussecken, ein extrem schönes und gemütliches Lager, ein paar kleine Regenschauer und immer und immer mehr anwachsende Vorfreude auf diese Woche.

Wir hatten Lust auf das, was auf uns zukommt (was auch immer es sein wird), versicherten uns immer wieder, wie gut wir es doch hätten und freuten uns auf ein paar Tage ohne die Was-ziehe-ich-an-Überlegungen, auf das Am-Abend-was-geschafft-haben, auf jeden Tag Apfelstrudel und lange Wanderetappen.

Sellrainer Hüttenrunde | Wir Schartenprofis

Im Lauf der nächsten Tage wurde uns sehr schnell klar:

Wir hatten uns absolut die richtige Tour ausgesucht.

Jede Etappe war landschaftlich wunderschön, wir begegneten teilweise über Stunden niemandem und wir hatten – und so war‘s ja gewünscht – oft ordentlich zu kämpfen.

Schien der Tag leicht, flach und auf Wanderwegen durch grüne Wiesen zu beginnen, mündete er fast immer in fiese steile Anstiege auf Schotterfeldern, um dann auf der anderen Seite der Scharte genauso fies steil, teilweise nur mit einem lapprigen Seil versichert oder durch Schneefelder wieder in ein hübsches grünes, bachlauf-durchzogenes Tal hinabzuführen.

Wir bewegten uns auf Höhen zwischen 2000 und 3000 m, und bekamen an den ersten vier Tagen strahlend blauen Himmel als Belohnung für jede Rutschpartie auf Schotter oder Schnee geschenkt.

Wir

  • durchstreiften Gesteinsfelder
  • beobachteten Kühe beim bergab rennen
  • Holländer beim bergab rutschen
  • lagen am Gebirgsbach in der Sonne (nur der Grashalm im Mundwinkel fehlte)
  • lagen neben der Hütte auf der Bank (bzw. wie an der Pforzheimer Hütte in der Hängematte)
  • aßen uns durch das Kaiserschmarrn- und Strudel-Angebot der Sellrainer und Ötztaler Berge und waren uns nach sieben Tagen, zurück in Sellrain, einig:

Das war doppelt so anstrengend wie die Alpenüberquerung, aber auch doppelt so toll.

Wir sind jetzt Bergsteiger

Tag fünf starteten wir mit Regenjacke und einem Abstieg ins Tal – über Nacht war der Himmel verschwunden und der Wetterbericht kündigte ein Wochenende mit Regen und Gewittern an.

Wir hatten eine Neunstundenetappe mit Kletterstellen auf 2700 m auf dem Plan und keine Lust, dort oben vom Gewitter überrascht zu werden.

So nahmen wir den Bus ins nächste Tal, und gingen dort wieder hoch zur Bielefelder Hütte, ein Steinschloss auf 2150m.

Leider kam die Sonne auch am nächsten Tag nicht durch die dicken Wolken durch und so erwies sich die von der Gruppe am Nebentisch beim Abendessen als poplig kurz abgetane Etappe als ganz schöner Klopfer.

Die Hochreichscharte auf 2900 m lag im Nebel vor uns, der Trampelpfad war vom Regen der Nacht matschig und der Fels rutschig, die Seilversicherung sah eher fragwürdig aus und teilweise hatten relativ frische kleine Geröllabgänge den Weg anstrengender gemacht, als er bei schönem trockenem Wetter eh schon gewesen wäre.

Doch wir waren trotzdem glücklich, denn uns war klar:

Irgendwie hat diese Woche aus Wanderern Bergsteiger gemacht, die gemeinsam Gelände gemeistert haben, an das sich wahrscheinlich keine von uns allein getraut hätte.

Außerdem hatten wir Gipfelschokolade mit Gletscherblick auf 3082 m, haben einen Kinderpulli, mehrere Socken und eine halbe Mütze gestrickt, haben in Täler geschaut, wie wir sie uns schöner nicht erträumen können, hatten Hochs (sehr viele) und Tiefs (sehr wenige) und waren schon an Tag zwei dabei zu überlegen, was diese Tour im nächsten Sommer toppen könnte. Any suggestions?

Die Sellrainer Hüttenrunde ist variabel gestaltbar.

Fast jede Etappe kann auf einfachen, mittelschweren und schweren Routen (wir haben uns immer die schwerste/längste ausgesucht und haben dabei knapp 100 km und um die 6500 hm gesammelt) begangen werden, fast alle Hütten sind sehr empfehlenswert und unerwartet „luxuriös“ (warme Dusche, vegetarische Essensauswahl, gemütliche Betten, beheizte Schuhräume) und wer nicht zu einem bestimmten Tag wieder zu Hause sein muss, kann fast beliebig verlängern.

Weitere Mehrtages-Tourenvorschläge findest Du in unseren Bergtouren-Tipps vom Monat August.

Und viele viele Tipps mehr in unseren Lieblingstouren.






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