Interview out for space | mein Gespräch mit Felix Wurster

{ Dieses Interview entstand im Rahmen des Experiments „Freiraum Allgäu: gelingt die Balance Leben und Arbeiten im Allgäu besonders gut?“ }

 

 

„Die Sache ist größer als ich selbst. Ich weiß genau, wofür ich es mache.“

 

Felix‘ Geschichte | Wie bist du zum Managing Director geworden?

„Da muss ich bei den beiden Gründern Julian und Peter anfangen: Sie sind „Kißlegger“ aus dem Allgäu und ehemalige Designstudenten.  Julian war vor Jahren in Indonesien im Urlaub und hatte da zufällig einen Rattan-Strang in der Hand – und sich gewundert, was das eigentlich ist. Er hat das Material mit nach Deutschland genommen und gemeinsam mit Peter im Studium damit experimentiert.

„Wie der Regenwald die Pflanze nutzt, kann sie der Mensch ja auch nutzen“ – das ist die Grundlage für alle Experimente, die out for space macht. Julian und Peter haben viel ausprobiert und die erste Technologie zum Patent angemeldet. Sie haben das Potenzial von Rattan erkannt.

„Ich war damals in Wien und habe internationale BWL studiert. Zu dieser Zeit habe ich bereits mitbekommen, mit was sich die Beiden beschäftigen und was sie entdeckt haben. Im Februar 2016 bin ich als 3. Gesellschafter mit dazu: ich habe einen Kredit aufgenommen und bin voll eingestiegen.“


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Was hat dich gereizt, einzusteigen?

„Oft träumen BWL-er im Studium von der Selbstständigkeit „egal mit was“. Das war aber nie mein Ansatz, ich wäre auch in ein großes Unternehmen gegangen.

Out for space hat mich jedoch sehr inspiriert und „das Heimische“ hat natürlich eine große Rolle gespielt – schließlich komme auch ich ursprünglich aus dem Allgäu.

So waren Standort, Selbstständigkeit und unsere Vision absolut überzeugend für mich.“

 

Porträt out for space | Wie beschreibst du, was ihr macht?

„Wir sind ein junges Unternehmen, vielleicht nicht mehr in der ganz frühen Phase, weil wir schon im vierten Jahr sind. Wir haben auf Basis eines vergessenen alten Materials ein neues Material aus der Natur reanimiert.

Am Anfang haben wir noch selber Möbel gebaut, dann aber gemerkt, dass das Material viel mehr Potenzial hat, wenn wir es der Industrie als Halbware zur Verfügung stellen und damit eine viel größere Skalierung erreichen.

Rattan ist eine Liane, also eine Rundstange, die bis zu 200m lang wird. Sie schlängelt sich von Baum zu Baum und gedeiht nicht in Monokulturen – das ist das Besondere: sie braucht bestehenden, aktiven Regenwald, um zu wachsen. Aus Naturschutz-Aspekten betrachtet ist das eine super Basis.

Die Liane wächst extrem schnell (3-5 Meter pro Jahr je nach Art) und die Ernte ist sehr umweltfreundlich: sie wird einfach von Menschenhand geschlagen und wächst weiter. Tiere brauchen die Liane nicht als Lebensraum.

Die Liane besteht aus einer Kapillarstruktur: darin transportiert sie Wasser von A nach B. Unser erstes Patent basiert auf der Veredelung dieser Kapillarstruktur mit Flüssigkeiten.

Das zweite Patent ist die Furnierherstellung. Das heißt wir fräsen Kantlinge aus den Rundstangen und verkleben diese zu Blöcken.

Unser Material haben wir „karuun“ genannt, das bedeutet „versteckter Schatz“. Das Produkt karuun® stripe ist ab einer bestimmten Abnahmemenge in allen verschiedenen Farben erhältlich. Es ist besonders für Oberflächen in Innenräumen geeignet, im Autobau, bei der Innenarchitektur usw.

Unser zweites Produkt karuun® shine ist ein licht- und luftdurchlässiges Material und eignet sich bestens für Beleuchtung, Akustik (Schall verschwindet), Möbelgestaltung uvm.

karuun® 3D ist die Verformung mit karuun® stripe und es sind extreme Radien möglich, sodass wir in verschiedenen Bereichen Plastik ersetzen möchten.


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out for space | Woher kommt der Name, was ist die Bedeutung?

 

„Inspiriert von der Natur, mehr Rausgehen, im Einklang mit der Natur sein“

 

Das sind die Stichworte auf deren Basis wir Materialien entwickeln, die besser sind für Mensch und Umwelt. Aus dem kleinen Lebensraum „Space“ bis ins große Weltall alles im Blick zu haben.

Die Welt im Blick. Für die Welt.

 

Wie passt das zum Allgäu? Material aus Indonesien?

„Der Klimawandel betrifft uns alle und wir können selbst vom Allgäu Einfluss auf die globalen Klimaziele nehmen:

Wir versuchen den Bauern vor Ort eine faire Bezahlung zu garantieren, sodass sie wieder einen Nutzen darin sehen, ihre Gärten zu kultivieren.

Neben den ökonomischen Zielen, verfolgen wir auch die ökologischen und sozialen unserer Zeit.

Es ist uns ein großes Anliegen, dass wir noch viel mehr verändern und zum Beispiel neue Transportwege schaffen. Rein aufs Produkt gesehen haben wir hier eine riesen Chance, die Zukunft nachhaltig und umweltschonend zu gestalten.“

Foto: ein Lenkrad mit karuun


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karuun® am Lenkrad des selbstfahrenden Elektroautos NIO EVE. 2020 auf dem Amerikanischen Markt erhältlich.


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Wirtschaftsstandort Allgäu | Was ist das Besondere, hier ein Unternehmen zu haben?

 

„Das Dreiländereck spielt eine große Rolle, weil die Infrastruktur fürs Handwerk extrem gut ist. Wir lassen das Material in anderen Werken verarbeiten, die in unserer Nähe sind. Diese Prozesse könnten wir niemals alleine darstellen – der ganze Maschinenpark würde enorme Anschaffungskosten bedeuten. Auch Bekannte und Freunde, Familiennetzwerke nutzen wir – das ist sehr wichtig.

Förderungen gibt es im Allgäu einige und so wurden beispielsweise unsere Gehälter (als 1. Start-up überhaupt) drei Jahre lang voll vom Staat Baden-Württemberg bezahlt.  Auch auf den Allgäuer Gründerpreis sind wir stolz.

Gleichzeitig ist die weitere Förderung extrem wichtig für out for space, um mehr in die Entwicklung zu investieren, ins Qualitätsmanagement, die Forschung.

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Arbeit auf dem Land vs. Stadt | musst du dich besonders motivieren?

„Nein, nicht wirklich. Für mich hat das Unternehmen ein höheres Ziel – die Sache ist größer als ich selbst. Ich weiß genau, wofür ich es mache.

Nach Auslandsaufenthalten und Großstädten war es cool, wieder in die Heimat zu gehen, die Kumpels wieder zu treffen und hier etwas Neues zu gestalten.“

 

Welche Rolle spielt die Natur?

„Inspiriert von der Natur“, das ist ja unser Slogan. Insofern spielt sie eine große Rolle – auch hier im Alltag, wenn ich im Garten den Blick auf den See genieße.

Wir sind einfach viel draußen, natürlich viel mehr als in der Stadt. Aber wir haben keine besonderen Routinen, dass wir z.B. regelmäßig nach der Arbeit auf den Berg gehen. Wasser ist uns noch super wichtig, weil wir teilweise viel surfen.

Bisher brauche ich dennoch auch die Stadt – meine Freundin arbeitet die Hälfte der Woche in München, da bin ich also auch immer wieder. Langfristig aber sehe ich mich im Dorf. In meinem Umfeld kommen viele wegen der Kinder zurück, denen es in der Natur einfach besser geht als in der Stadt.

Es kann also nur gut sein, wenn wir wieder mehr in der Natur sind und in natürlichen Lebensräumen, wenn Wohnhäuser und Büros mehr aus natürlichen Materialien bestehen, die positive Wirkungen auf die Gesundheit haben.

Langfristig macht es viel Sinn, nachhaltig zu denken und zu produzieren – und daran arbeiten wir mit Hochdruck und Leidenschaft.“


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Neu: KC HANG | Garderobe aus karuun® color. Bestehend aus drei gebogenen Elementen mit jeweils einer Öse für Kleiderbügel.


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Allgemein, wie ist denn der Allgäuer an sich?

„Grundlegend ist der Allgäuer in meinen Augen ein Mensch der wenigen Worte. Er ist vielmehr ein Macher. Er redet wenig, setzt aber viel um – das finde ich grundsätzlich eine gute Tugend. Nur manchmal ist die Wortkargkeit etwas mühsam. Kommunikation wird manchmal unterbewertet, das fällt mir immer wieder auf.“– Felix grinst.

 

Findet man leicht Freunde, wenn man hierherzieht?

„Im sehr ländlichen Raum sind die Menschen noch nicht sehr extrovertiert, da kann es schwieriger werden mit neuen Kontakten – in meinen Augen allerdings ist viel passiert.

Die Allgäuer sind viel offener geworden. Das kann zum großen Teil an jenen liegen, die wie ich in anderen Städten studiert und die Welt bereist haben und jetzt wieder ins Allgäu zurückziehen. Das ist ein anderer Spirit, der unserer Region sehr gut tut und wiederum neue Menschen anzieht.“


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Zur Aktion „Freiraum Allgäu“

Für knapp vier Tage ziehe ich auf einen Bauernhof nähe Kempten, um das Allgäu, seine Menschen und Möglichkeiten kennenzulernen.

Ich spreche mit Startups, Zugezogenen und Wiederzurückgekehrten, die im Allgäu ihren neuen Lebensmittelpunkt gefunden haben.

Was hat sie bewogen, auf’s Land zu ziehen, die Stadt zu verlassen? Was vermissen sie, was haben sie dazu gewonnen? Wie geht erfülltes Leben auf dem Land, ist es einsam oder lebendig, welche Rolle spielen Freunde, Familie und ein bestehendes Umfeld?

Wie haben sich Routinen und der Alltag geändert – welche Rolle spielt die wunderbare Natur und die Berge ringsherum?

Meine Gesprächspartner sind

  • OUTFORSPACE aus Kisslegg, ein junges Unternehmen, das nachhaltige Materialien für die Industrie herstellt.
  • KÄTHE aus Immenstadt, die eigentlich aus Sonthofen stammt und nach Jahren in Großstädten ohne Job und ohne Wohnung zurück ins Allgäu ging.
  • ROADTYPING, eine Marke vom Designerpärchen Franzi & Marius, die Outdoorprodukte für Outdoorprodukte herstellen
{ Ein Interview in Zusammenarbeit mit der Allgäu GmbH | Ich wurde eingeladen, das Experiment Leben & Arbeiten zu wagen und über meine persönlichen Erfahrungen zu berichten sowie Start-ups und Zugezogene zu interviewen.
Gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie. }






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