Interview mit Roadtyping | Outdoor Goods for Outdoor People

{ Dieses Interview entstand im Rahmen des Experiments „Freiraum Allgäu: gelingt die Balance Leben und Arbeiten im Allgäu besonders gut?“ }

 

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Marius und Franziska, beide Designer, leben mit Sohn Leo und Labrador Lotta in Kaufbeuren im Allgäu. Neben ihrem Herzensprojekt Roadtyping betreiben sie eine eigene Agentur, die Markenkommunikation, Branding, Illustration anbietet.  Jede freie Minute sind sie im Campervan unterwegs und somit ist jedes Roadtyping Produkt ein ganz besonderer Teil ihrer Trips.

Die beiden haben Ende 2017 ein altes Haus in Kaufbeuren gekauft, das sie nach und nach renovieren, teilweise vermieten und darin zugleich leben und arbeiten.

Ich interviewe die Beiden bei einem sonnigen Sommer-Frühstück in ihrem Garten. 


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Was ist und macht Roadtyping? | Geschichte & Entstehung

„Entstanden unterm Sternenhimmel an einsamen Bergseen und während Trips mit
dem VW Bulli, erzählen unsere Produkte unsere Reise-Geschichten.“

– genauer gesagt am Starnberger See. Damals noch war Marius fest in einer Agentur in München angestellt, Franzi war bereits unter ihrem eigenen Namen selbstständig als Grafikdesignerin tätig.

Marius: Erst hatten wir die Idee, ein Outdoor Magazin herauszubringen – verwarfen diese Idee aber wieder. Postkarten erschienen uns passender, und so entstand Roadtyping. Mittlerweile haben wir auch andere Outdoor Produkte und ca. 35 Motive an Postkarten!


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Der Umzug | von München nach Kaufbeuren ins Allgäu

Franzi: Uns ist aufgefallen, dass wir in jeder freien Minute aus der Stadt rausfahren. Sobald wir Zeit hatten, sind wir sofort Richtung Garmisch, ins Allgäu oder an die umliegenden Seen gefahren. Dann wurde ich schwanger, Roadtyping immer größer und wir fingen an darüber nachzudenken, dass Marius die Agentur verlässt und wir Roadtyping gemeinsam machen – und uns ist der Platz ausgegangen!

Wir haben in 60qm gewohnt, im 6. Stock ohne Aufzug! Es war wirklich eine süße Wohnung, aber ohne Potenzial, sich zu vergrößern. Und für uns war es schon immer klar, dass wir aufs Land wollen.

Wir sind beide bei unseren Großeltern aufgewachsen, mehr oder weniger auf dem Land und Roadtyping wie auch die Agentur ist komplett Standort-unabhängig.

Marius stammt aus Pfaffenhofen, ich aus Kaufbeuren. Wir wollten keinen dritten Standort aufmachen und wo ganz Neues hin. Da wir beide wir sehr  familiär verbunden sind und beide Omas haben, wollten wir für Leo, dass er in seiner Familie aufwachsen kann.

Marius: Pfaffenhofen ist ein teures Pflaster und liegt leider im Norden von München, Kaufbeuren ist eine halbe Stunde vor den Bergen, da war die Entscheidung schnell getroffen. Zumal wir in Kaufbeuren genügend Stadtfeeling haben.

Franzi: Und dann kam am 26.12.2017 quasi das Weihnachtsgeschenk für uns, weil wir das Haus entdeckt haben und gleich wussten, dass es das Richtige ist.

Marius: Wir wollten nicht in ein Kuhdorf – für mich war es so schon ein kompletter Break vom München raus nach Kaufbeuren. Da war es mir wichtig, eine Mindestgröße an Stadt zu haben, um auch anderen Gesichtern zu begegnen. Wir sind eher emotional gesteuert – über rationale Fragen haben wir uns nicht so den Kopf gemacht. Wir wussten einfach für uns, was richtig ist und sind dem nachgegangen.

Franzi: Wir wissen beide, was uns glücklich macht und kennen uns extrem gut. Wir lassen uns nicht von Konventionen aufhalten sondern bauen unseren Alltag so, dass wir genau das leben können, was uns wichtig ist.

Arbeitsalltag Land vs. Stadt | Gibt es Unterschiede?

Marius: Vom Arbeitsalltag hat sich für uns eigentlich nichts verändert – nur können wir hier das Potenzial des Allgäus ausschöpfen,  das hat man in Großstädten nicht. Da ist man mit einer Agentur ein kleiner Fisch in einem großen Teich, hier ist es andersrum. Deswegen kamen auch schnell Kontakte zusammen, die wieder in anderen Kontakten resultierten. Wir ziehen jetzt genau die Menschen an, die wir wollten.

Franzi: In München bist du eine Stadtagentur unter vielen, hier sind wir regionaler Dienstleister. Das ist total schön. Die Inspiration und das, was wir in der Stadt gelernt haben, bringen wir hierher mit.

Du kannst hier noch etwas Besonderes sein, du kannst dich einbringen, austoben und etwas bewegen.

Marius: Den Spirit und den Geist der Großstadt wollen wir hier schon auch einbringen. Wir wollen gerne etwas verändern. Das Denken der Menschen hier ist schon noch etwas anders…an neue Konzepte und ein verändertes Angebot denken hier viele noch nicht.

Franzi: Wir haben viele Ideen, z.B. bzgl Leerstand von Gebäuden, wo wir überlegen, was man alles machen kann. Aber man stößt schon auch auf taube Ohren, weil für manche Ideen noch die Offenheit fehlt. Ab 14 Uhr sind hier Samstags die Bordsteine hochgeklappt (und lacht).


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Neue Arbeitsmodelle durch’s Internet | dabei trotzdem Tradition und Lokalität fördern

Marius: Tatsächlich ist es so, dass wir den Schritt mehr und mehr bei Anderen beobachten, z.B. bei „Muckefuck“ – die auch rausgezogen sind und ihr Produkt auf einem Bauernhof machen. Sie kamen nicht von hier, sind also klassisch „Zuazogne“.

Der Anspruch von uns ist ja derselbe wie in der Stadt: Regionalität, Wertschöpfungskreisläufe sollen gut laufen… ein Café wie Muckefuck plus Rösterei in einem kleinen Ort wie Marktoberdorf zu machen, das genauso gut in einer Großstadt sein könnte, das ist schon was. Ein befreundeter Fotograf aus München ist nach Nesselwang und arbeitet nun für große Firmen, denen der Standort egal ist.

Das wurde natürlich alles durchs digitale Arbeiten erst möglich gemacht. Sobald wir Internet haben, können wir arbeiten – und das machen Franzi und ich auf unsere Roadtrips ja auch so.

Franzi: Wir haben 350 Läden in der Zwischenzeit, bei denen wir vetreten sind. Wir wollen keinen reinen Onlineshop machen und haben uns gesträubt, überhaupt einen zu haben. Wir wollen, dass die Menschen unsere Produkte in den Läden kaufen, um genau diese lokalen Geschäfte zu unterstützen. Dabei verzichten wir logischerweise auf unsere bessere Gewinnspanne im eigenen Onlineshop!

Wir haben uns hier Vertrauen aufgebaut, werden zu Stadtprojekten eingeladen und um Meinung gebeten. Wir sind nicht einfach nur das verrückte Designerpärchen aus München, sondern sehr bodenständig und verwurzelt.

Meine Abschlussarbeit an der Uni war ein Roadbook mit Tipps für‘s Allgäu – ich war stolz auf meine Region und wollte schon immer, dass die Leute ins Allgäu fahren und nicht immer nur an den Tegernsee.

Marius (grinst): ja, da sind unsere Welten aneinandergeclasht – ich aus Pfaffenhofen bin natürlich immer nur in die Tegernseer Berge.


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Stolz aufs Allgäu | Natürlichkeit, Offenheit und ein ehrlicher Menschenschlag

Franzi: Worauf ich genau stolz bin? Dass es nicht lauter „Einfahrt-verboten“-Schilder an den Feldwegen gibt! Es gibt hier einfach mehr Möglichkeiten. Du hast das Vertrauen vom Bauern, darfst mal auf seine Wiesen. Das geht nur, weil nicht alles überlaufen ist. Es gibt so viele natürliche Stellen, wo noch nichts verbaut und verriegelt ist – kleine Örtchen, wo sicher noch nie ein Tourist war. Und dabei sind wir nur 90 Minuten von München entfernt. Es ist einfach nicht der aufgehübschte, überzogene Tegernsee, sondern ehrlich und natürlich.

Marius: In der Großstadt muss man sich immer so etablieren. Wer verdient was, wieviel Stunden arbeitet man, wie lang sitzt man im Büro…. und wir denken uns hier: arbeite doch lieber nur 30 Stunden und hab noch was Leben! Früher in der Agentur war es für mich auch cool, überall hinzufliegen und spannende Termine zu haben, ständig unterwegs zu sein. Aber hat mich das denn ehrlicherweise glücklich gemacht?

Franzi: Du legst hier auf dem Land viel ab: ich kaufe weniger Klamotten, mir ist total egal wie ich aussehe, wenn ich zum Beispiel mit dem Hund rausgehe. Ich kann mehr ich selber sein und habe mehr Luft, fühle mich entschleunigter.

Marius: Trotzdem gibt’s hier bei den Alteingesessenen immernoch den Satz „was denken denn da die Nachbarn!“, das offene Mindset ist schon mehr bei denen spürbar, die mal draußen in den Großstädten waren und ein paar Jahre woanders gelebt haben.

Und: Ich habe hier ja auch immer Sympathieträgerdabei: den Hund und das Kind, da sind die Leute eh viel offener. Wenn ich alleine unterwegs wäre, wäre das vielleicht etwas anderes.

Franzi: unsere Produkte kommen hier aber nicht so gut an, interessanterweise – die Leute im Allgäu wollen deutsche Produkte haben und wir haben einfach auch viele englische. Wir sind hier tatsächlich in weniger Läden vetreten als sonst in den anderen Regionen.

Marius: manches ist einfach noch bisschen eingefahren, auch bzgl Lebenswegen: Heiraten, Kind, Haus … da gibt es eine gefühlt „richtige“ Vorgehensweise und alle nehmen an, dass das bei uns auch so ist. Ist es aber nicht. Und das irritiert die Leute dann manchmal schon.


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Kann man die Ruhe vom Landleben nicht in die Stadt bringen?

Marius: dem Überangebot der Stadt kann man nur nachrennen. Das gibt’s hier einfach nicht. Auch die Taktung ist in der Stadt so rasant. Schon bei 2 Minuten Verspätung der Tram empfinden wir das als schlimm und sind gleich gestresst und gehetzt.

Franzi: Die Möglichkeiten der Stadt sind terminiert. Alles was du hier auf dem Land machst, hat keine Uhrzeiten. Es ist irgendwie zeitloser, freier. Die Uhr tickt in der Stadt anders als hier.


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Was fehlt von der Stadt?

Marius: Die Teamarbeit, meine Kollegen fehlen mir schon – aber ich bin mit vielen immer noch im Austausch. Die Stadt an sich fehlt mir weniger. Die Punkte, die ich sonst vermisse, stehen in keinem Verhältnis zu dem, was ich hier habe.

Franzi: Wir sind einfach nicht die Stadtmenschen. Ich genieße aktuell sehr, dass ich bei Besuchen die Stadt neu entdecke, in neue Viertel komme – viel mehr als früher. Die Stadt vertreibt uns nicht, wir mögen sie supergerne, nach wie vor. Aber das, was wir wollen und hier haben, das kriegen wir in München einfach nicht.

Marius: Und wir müssten so krasse Einschränkungen auf uns nehmen, dass es in keinem Verhältnis zu dem stehen würde, was wir aufgeben müsste. Der Schritt raus ist einfacher denke ich als andersrum. Den Schritt zurück gibt es eigentlich nicht.

Franzi: wir sind ja beide selbstständig und da kommen schon viele Fragen „was ist, wenns mal nicht mehr so läuft“ usw – aber wir sind da eigentlich grundentspannt und haben ein großes Vertrauen. Es wird für alles eine Lösung geben. Solche Sorgen hätten uns nicht abgehalten, den Schritt zu gehen.

Ansonsten fehlt mir manchmal schon der kreative Input, den ich in der Stadt hatte – den bekomme ich aber auf den Messen, die wir besuchen.  Die Inspiration brauchen wir beide schon sehr. Der Austausch, zusammen essen gehen, da entstehen auch tolle neue Projekte und es geht weiter.

Wenn wir nur die Agentur hätten, wäre es schon anders. Nur durch Roadtyping kommen wir herum und lernen genau die Leute kennen, die uns wieder inspirieren – wenn wir nur die Agentur hätten, würden wir relativ alleine die Projekte abarbeiten. Das wäre sehr schade.


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Job Angebot im Allgäu | Aufstrebende Startups, nachhaltiger Spirit, Offenheit für New Work

Marius: auf dem Land gibt es wahrscheinlich mehr Spielraum als in der Stadt – weil du hier die Kosten nicht hast, die in der Stadt bezahlt werden müssen. So kannst du als Unternehmer vielleicht flexibler sein und Mitarbeitern andere Modelle anbieten, die in der Stadt so nicht tragbar wären.

Wo kannst du schon einen Bauernhof kaufen, um dann eine Kaffeerösterei reinzubauen und das als Unternehmen auf dem Land aufbauen? Im Schlierseer/Tegernseer Raum geht das sicher nicht mehr!

Franzi: Formkraft Allgäu ist übrigens eine tolle neue Plattform – weil die Allgäuer Firmen oft auf Agenturen in Großstädten zurückgreifen, obwohl es hier so tolle Menschen gäbe. Formkraft will so die Aufträge im Allgäu lassen und zeigen, was es hier für tolle Projekte und kreative lokale Dienstleister gibt.

Marius: Ich denke bzgl flexibler Modelle und Work-Life-Balance wird es sicher noch einen großen Wandel in der Gesellschaft geben. Dauerhaft werden die Leute es nicht mitmachen, dass einfach Kicker in die Offices gestellt und schönere Büros geschaffen werden – obwohl die Firmen einfach nur mehr Arbeitszeit von dir wollen und dir eben nicht mehr Freiraum geben.

Achja – bzgl Freiraum: Wir haben mittlerweile aufgehört, den Wecker zu stellen – allerdings haben wir zwei „natürliche“ Wecker, die heißen Leo und Lotta 😀


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Zur Aktion „Freiraum Allgäu“

Für knapp vier Tage ziehe ich auf einen Bauernhof nähe Kempten, um das Allgäu, seine Menschen und Möglichkeiten kennenzulernen.

Ich spreche mit Startups, Zugezogenen und Wiederzurückgekehrten, die im Allgäu ihren neuen Lebensmittelpunkt gefunden haben.

Was hat sie bewogen, auf’s Land zu ziehen, die Stadt zu verlassen? Was vermissen sie, was haben sie dazu gewonnen? Wie geht erfülltes Leben auf dem Land, ist es einsam oder lebendig, welche Rolle spielen Freunde, Familie und ein bestehendes Umfeld?

Wie haben sich Routinen und der Alltag geändert – welche Rolle spielt die wunderbare Natur und die Berge ringsherum?

Meine Gesprächspartner sind

  • OUTFORSPACE aus Kisslegg, ein junges Unternehmen, das nachhaltige Materialien für die Industrie herstellt.
  • KÄTHE aus Immenstadt, die eigentlich aus Sonthofen stammt und nach Jahren in Großstädten ohne Job und ohne Wohnung zurück ins Allgäu ging.
  • ROADTYPING, eine Marke vom Designerpärchen Franzi & Marius, die Outdoorprodukte für Outdoorprodukte herstellen
{ Ein Interview in Zusammenarbeit mit der Allgäu GmbH | Ich wurde eingeladen, das Experiment Leben & Arbeiten zu wagen und über meine persönlichen Erfahrungen zu berichten sowie Start-ups und Zugezogene zu interviewen.
Gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie. }






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